Russen, Gauweiler, Peymann – das eingeschnappte Ego

Über das Beleidigtsein

Jeder Mensch ist narzisstisch, ganze Nationen sind gern mal gekränkt.
Ein Versuch über das Beleidigtsein.
Die Russen sind beleidigt. Ihnen hat die Krim doch immer schon gehört, aber kaum holen sie sich die Halbinsel zurück, begegnet ihnen der Gruppengroll der Restwelt.
Die Griechen sind beleidigt. All das ungewohnte Sparen und Steuerzahlen ist eine Zumutung, es rechtfertigt ihren Gruppengroll wider die Restwelt.
Die Pegida-Deutschen sind beleidigt. Ausländer, die noch gar nicht da sind, könnten ihnen die Arbeitsplätze wegnehmen, falls sie da wären.
Schon der Gedanke beschwört das Gekränktsein herauf. Wenn das nicht eine Lizenz für einen grimmigen Aufstand bedeutet! Araber sind beleidigt, Chinesen ebenfalls.
Amnesty International wirft ihnen vor, die Menschenrechte nicht zu achten, dabei sind doch die Amerikaner an allem schuld, irgendwie, immer. Anhänger einer Glaubensgruppe fühlen sich beleidigt von Anhängern einer anderen Glaubensgruppe – oder von Nichtgläubigen.
Unser Gott hat mehr Erbarmen! Nein, unser Gott hat mehr Erbarmen! Was scheren mich eure Götter! Mit diesem Geschrei schlagen sie ohne Erbarmen aufeinander ein.
Karikaturisten werden ermordet, Operndirektoren wegen kirchenkritischer Inszenierungen gefeuert, wie gerade in Novosibirsk geschehen.

Rund um den Globus wird das Gekränktsein als Devise auf dem Markt der Ehre gehandelt, in der Münze des Gruppenstolzes geprägt, gegossen, gedruckt. Auch innerhalb von Gruppen lässt sich damit Aufsehen erregen.
Herr Gauweiler in Bayern ist beleidigt, weil seine Partei Fraktionsdisziplin von ihm erwartet. Er sagt schöne Grüße, fickt euch, und dankt gekränkt ab.

Oder dieser Herr Peymann in Berlin, auch ein Beleidigter.

Claus Peymann

Claus Peymann

Nach seinem Ruhestand soll ein anderer sein Theater leiten, noch dazu einer, den er selber nicht ausgesucht hat. Das geht zu weit! Auch seinem Kollegen Frank Castorf missfällt es, dass über seine Nachfolge geredet wird.
Auch ist er beleidigt, dass der neue Bürgermeister Berlins, Müller, nicht gleich auf seinen Gesprächswunsch, bez.  dümmlichen Briefe reagiert.  Zitat: offener Brief an den Regierenden Bürgermeister vom 1.April 2015: „Einen solchen Gesprächswunsch hat Ihr Vorgänger Klaus Wowereit in der Regel innerhalb von 14 Tage entsprochen, bei Diepgen dauerte es eine Woche, beim damaligen Bundespräsidenten Köhler maximal drei Wochen und beim Kulturstaatssekretär Schmitz wäre es eine Frage von Stunden gewesen!“
Zudem nannte er auch den Kulturstaatssekretär Tim Renner eine Fehlbesetzung:
„Mir bricht buchstäblich der Angstschweiß aus, wenn ich mir vorstelle, was dieser unerfahrene und in dieser Position völlig überforderte Mann bereits angerichtet hat – und was uns noch erwartet […] Hoffentlich ruft noch jemand ‚April, April!'“

Er führt an, dass Allen die er anschrieb, umgehend reagierten, sich demutsvoll zu dem großen Intendanten und Regisseur begaben, um aus seinem profunden Munde die Kunstwelt erklärt zu bekommen, ihn ehrfurchtsvoll zu huldigen.
Vielleicht erkennt der Regierende, dass dieser selbstherrliche und sich wie ein eitler Pfau gebährende Peymann letztlich nur ein ganz kleines Licht ist in der Kulturlandschaft, den es nicht lohnt, so zu hoffieren, wie seine Vorgänger.

Wer ist dieser Peymann, der sich für den Nabel der deutschen Kulturszene hält?
Und wer unter ihm gearbeitet hat, weiß, wie der sich als ein unantastbarer und über Allen stehender „Sonnengott“ gibt.

Das mag wirklich beleidigend sein!

Ohnehin liefert das Alltagsleben ununterbrochen Quellen der Kränkung.
Frau X hat im Treppenhaus nicht gegrüßt, Herr Y hat von der Terminänderung nichts gesagt, ein Forscher wird von einem Kollegen nicht erwähnt, es fehlt die Fußnote mit Hinweis auf sein Verdienst.
Produktiv gewendet, erwächst der Kränkung die Kraft zum Widerstand Gründe fürs Beleidigtsein finden sich also vom Riesenanlass (Krim) bis zur geringsten Causa (Fußnote!).
Die Welt will nicht so, wie ich wohl will: Bei der Kränkung geht es um Kontrolle und Kontrollverlust, um Aufmerksamkeit, Ehre und Ehreinbuße. Wird das Gekränktsein demonstrativ gezeigt, geht es um Schuldproduktion, emotionale Erpressung, Vergeltung.
Auf legitimes Gekränktsein kann der gerechte Zorn folgen, das Aufbäumen gegen Ungerechtigkeit und Entwürdigung. Produktiv gewandelt, entwächst der Kränkung die Kraft zum Widerstand, die Vorstellung davon, wie etwas besser und gut werden kann.
In so einem Fall würde Kain den Abel nicht erschlagen, sondern beide gemeinsam würden Gottes Willkür kritisieren.
Das wäre Aufklärung, wirksamstes Heilmittel gegen Beleidigtsein.

Eine Antwort zu Russen, Gauweiler, Peymann – das eingeschnappte Ego

  1. Martin G. schreibt:

    Peymann ist ein Idiot. Ja, ein genialer aber als Regisseur ist die Zeit vorbei. Größenwahn, Selbstherrlichkeit, Ich- Bezogenheit machen ein Arbeiten unter ihm unerträglich. Es ist eben Zeit.

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