Umsichgreifender Genderwahn

Die geheimnisvolle Mona Lisa, die göttliche Venus von Milo, Leonardo da Vincis Dame mit dem Hermelin, Andy Warhols Marilyn Monroe – seit Jahrhunderten feiern Künstler die Schönheit der Frauen. Große und größte Kunst ist dem verehrungswürdigen schönen Geschlecht geweiht. (Hier)

Doch damit ist in Berlin jetzt Schluß: Der Rektor der Alice Salomon Hochschule in Berlin-Hellersdorf lässt ein Liebesgedicht des weltberühmten Lyrikers Eugen Gomringer von der Wand eines Hochschulgebäudes entfernen, weil AStA-VertreterI*nnen darin eine Herabsetzung der Frau zu einem „bewunderungswürdigen Objekt“ sehen. (Hier)

Alleen, Blumen, Frauen – und ein Bewunderer

An der Südfassade eines Gebäudes der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin-Hellersdorf steht ein Liebesgedicht von Eugen Gomringer. Der gilt unter Experten als einer der bedeutendsten Lyriker der Gegenwart. Der Künstler hatte im Jahr 2011 sogar den Poetik-Preis der Hochschule erhalten.
Zum Dank gab es dieses Gedicht auf Spanisch, das seither die Hochschule schmückt und das übersetzt so lautet: „Alleen. Alleen und Blumen. Blumen. Blumen und Frauen. Alleen. Alleen und Frauen. Alleen und Blumen und Frauen. Und ein Bewunderer.“

Kleine Geister gegen große Kunst

So weit, so schön. Doch nicht für den Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) der Hochschule. Der sieht Frauen „zu bewunderungswürdigen Objekten im öffentlichen Raum“ degradiert und verlangt die Entfernung des Gedichts. Rektor Bettig knickt ein und will die Fassade neu gestalten lassen. Kunst-Zensur im Jahr 2017. Hysterische Bilderstürmer-Republik Deutschland. Setzen sich solche Kleingeister durch, dann entsteht keine große Kunst mehr.

Dann gibt es keine geheimnisvoll lächelnde Mona Lisa, keine wunderschöne Venus von Milo, keine epochale Marilyn als Pop-Art-Ikone. Wenn AStA-Studenten ihre politisch-korrekte Mittelmäßigkeit zum Maßstab dessen machen, was Kunst sein darf, dann ist die Kunst in diesem Land am Ende. Kleine Geister schaffen keine große Kunst.

„Degradierung zu bewunderungswürdigen Objekten“

Es stehe nicht nur in einer „klassisch patriarchalen Kunsttradition, in der Frauen* ausschließlich die schönen Musen sind, die männliche Künstler zu kreativen Taten inspirieren“, sondern erinnere „zudem unangenehm an sexuelle Belästigung, der Frauen* alltäglich ausgesetzt sind“, moniert der Asta in dem Brief.
Das Gedicht wirke „wie eine Erinnerung daran, daß objektivierende und potentiell übergriffige und sexualisierende Blicke überall sein können“. Der Asta befürchte für Frauen angesichts des Gedichts eine „Degradierung zu bewunderungswürdigen Objekten im öffentlichen Raum, die uns Angst macht“.

Hochschulleiter Bettig gesteht im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, daß er sich gegen die Neugestaltung der Fassade ausgesprochen habe. Auf die Frage, ob er die Haltung des Astas teile, daß die Zeilen Gomringers bei Frauen zu „Angst vor Übergriffen“ führten, sagte Bettig: „Nein, in keinster Weise.“ Dennoch nehme man „die Rückmeldung von Studierenden sehr ernst, insbesondere dann, wenn sich Personen diskriminiert fühlen“.

Online-Abstimmung soll Entscheidung bringen

Noch hofft Bettig auf einen Kompromiß. Dieser sehe vor, „das Gedicht zu erhalten und die Kritik daran in künstlerischer Form zur Geltung zu bringen, das Gedicht also in einen Kontext zu setzen“. Noch bis zum 15. Oktober können Vorschläge für eine Neugestaltung der Fassade eingereicht werden, über die die Studenten und Mitarbeiter dann in einer Online-Abstimmung entscheiden sollen. Als das Liebesgedicht 2011 dort angebracht worden war, wurde die Hochschule noch von einer Frau geleitet.

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