Sigur Rós – überbewertet und enttäuschend

 

Nach Björk und Pferden sind Sigur Rós wohl das bekannteste Exportprodukt Islands. Am Montag war die Band mit ihren sphärisch klingenden, kaum greifbaren Klängen im Berliner Tempodrom zu Gast.

Vier Jahre ist es her, dass Sigur Rós auf großer Welttournee waren – und dass ihr neuestes Album „Kveikur“ erschienen ist, erstmals als Trio, ohne Keyboarder Kjartan Sveinsson. Jetzt ist ein neues Album für 2018 angekündigt. Die jetzigen Konzerte sind ein Vorgeschmack auf das, was da kommen mag.

Ich dachte, gehste mal hin und tust dir das an.file6wzkn2jw06ek4vhxchb

Auf ihrer Tour bringt die Band Altes mit Neuem zusammen. In zwei Sets, ohne Vorband, inszeniert sie ihre Musik perfekt. Im Hintergrund fliegen Welten über die transparenten Leinwände. Das Konzert wird zu einer Geschichte, einer Inszenierung in zwei Akten, die den Besucher zunächst langsam und dann immer schneller einsaugt.
Das Naturverbundene, das Knistern und Rauschen der Musik überträgt die Band in die Bilder auf den Leinwänden. Undefinierbare, wie Felsbrocken wirkende Teile fliegen durch den Raum. Wie im Film „Die Unendliche Geschichte“, als das Land Phantasien zerstört ist und das, was vom Land übrig bleibt, durchs All schwebt.

In der undefinierbaren Kunstwelt, die Sigur Rós erschaffen, versucht man das Bekannte zu entdecken: Berge, Gletscher, Wälder. Doch die sind wenig greifbar, flüchtig. Sie verschwinden einfach, sobald man das Bild gedanklich versucht festzuhalten. Das Crescendo in der Musik ist perfekt synchronisiert mit der Weite, die auf die Bühne, in die Köpfe des Publikums projiziert wird.sigur-ros_afp-kdwH--835x437@IlSole24Ore-Web
Dazu erklingt die Falsett-Stimme von Sänger Jon „Jonsi“ Birgisson. „Das ist das Geile an der Band“, schreit mir ein Besucher ins Ohr, „die Musik ist ziemlich rocklastig, aber immer noch sehr atmosphärisch. Und wie Jonsi singt – diese hohen Töne! Er hat diesen fetten Rock-Beat dahinter, aber trotzdem kann man sich super dazu gehen lassen.“ Gut, mich spricht es nicht so richtig an.
Jonsi singt auf Isländisch und „Vonlenska“. Das heißt so viel wie „Hoffnungsländisch“ und ist seine Fantasiesprache. Sie entstand, als er einmal die Stimme der Musik hinzufügen wollte, der Text dazu aber noch nicht geschrieben war. Dass man ihn nicht wirklich versteht, macht das Konzert, seine Stimme noch mystischer als ohnehin schon. Nur einmal spricht Jonsi das Publikum während des Konzertes an. Die Isländer im Saal klatschen, rufen, johlen. Der Rest hat nichts verstanden.

Voller Andacht verharrten die Zuhörer – gesprochen durfte nicht

Im ersten Set bleiben Sigur Rós harmonisch, wenig aufdringlich. Der Ambient-Sound überwiegt durch Stücke wie „Ekki Múk“ vom sechsten Album „Valtari“. Die Band scheint weit weg, überirdisch und unwirklich. Wie Kunstfiguren steht das Trio auf der Bühne. Zart bewegt Jonsi Birgisson den Cellobogen, mit dem er seine E-Gitarre spielt. Fast alle im Publikum wirken beseelt und sind still. Wenn doch jemand murmelt, wird schnell von anderen Seiten um Ruhe gebeten.
Das Tempo im zweiten Set zieht deutlich an. Die Hits, sofern man sie bei Sigur Rós so bezeichnen kann, tauchen auf: „Ný Batterí“, „Kveikur“, bis zum großen Finale „Popplagið“. Entsprechend flirren die Bilder schneller, dynamischer über die Leinwände, grellere Farben leuchten auf, immer wieder zucken Stroboskope zum lauter werdenden, sich aufbauen Klanggefüge.

Das Konzert ist extrem laut. Ohrenbetäubend, manchmal schön, ekstatisch trifft es eher. Jonsi Birgissons Bewegungen wirken jetzt martialisch, wenn er seine Gitarre mit dem Bogen bearbeitet. Die Menschen im Innenraum wippen wie in Trance. Es ist wie ein Rausch und dann einfach vorbei. Das Publikum lechzt nach mehr, doch die Band kommt nur nochmal auf die Bühne, um sich zu verabschieden. Drei Mal. Dann ist es wirklich vorbei.

Jetzt war ultimativ der Moment, wo ich dann gegangen bin. Ich habe die Band vor vier und vor ca. acht, neun Jahren gesehen, da war es noch etwas besonderes. Heut schien mir, als wollte man mit Gewalt an dieser Zeit anknüpfen. Die sich breitmachende Langeweile und Einfallslosigkeit mit Stroboskope weg beamen. Teuer eingekauft, überrascht doch, wie langweilig – verschwendetes Eintrittsgeld.

Freue mich schon auf den 26.10.2017 im Bergheim: Swans, das ultimativ letzte Konzert dieser Band.

 

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