Erkältet zu sein, bevor es Mainstream wird

Wenn ich heute jemanden auf der Straße husten oder schniefen siehe, kann ich nur müde lächeln. Ich sehe dann  einen 23-jährige Bachelor-Media-Science-Student (mit kleinem Dutt am Hinterkopf, da er sich ja noch geschlechtlich orientieren muss) – der hat eine Erkältung.

Ich hatte sie schon.

Damals war ich fast der Einzige, wurde schief angeschaut mit meiner roten Nase, meinem Schal und den dunklen Ringen unter den Augen. Jetzt ist bin ich damit schon lange wieder durch, hüstelt allenfalls hier und da noch – ironisch versteht sich.
„Erkältet sein ist sowas von Oktober“, denke ich in einem Berliner Szene-Café gelangweilt. „Wenn man sich selbst schon früh mit so etwas beschäftigt hat, dann wirken die vielen Menschen, die sich zuuufällig gerade jetzt erkälten, wo überall in Magazinen wie der ‚Apotheken Umschau‘ die Grippesaison gehypet wird, wie uninspirierte Mitläufer.“

Eine Frau mittleren Alters niest und schnupft in Hörweite.

Hält sich für trendy, ist sie aber nicht: erkältete Fra

„Einfach nur peinlich“, denke ich und verdrehe die Augen. „Wenn Leute wie ich die nicht angesteckt hätten, würden Leute wie sie noch nichtsahnend und kerngesund herumlaufen. Aber es dankt einem niemand. Ich hatte übrigens Vintage-Taschentücher aus Stoff, nicht so einen Billigpapierkram wie die.“
Mit einer herkömmlichen Erkältung will ich mich ohnehin nicht mehr befassen.
„Momentan versuche ich mir etwas hierzulande noch völlig Unbekanntes aus Afrika zu holen“, spreche ich leise zu mir und denke da an die kleinen roten Punkte auf meiner Zunge und am Gaumen.
„Würde mich allerdings nicht wundern, wenn das in ein paar Wochen auch wieder jeder hat.“

 

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