Tom York und ein Rockkonzert? Doch eher Elektro-Clubabend

 

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Die Artrock-Band Radiohead pausiert gerade – nicht aber ihr umtriebiger Sänger Thom Yorke.
Im Berliner Tempodrom gab er am Freitag, 01.06.2018, das einzige Deutschland-Konzert seiner Zwölf-Stationen-Tour.
Warum macht Thom Yorke das?
Muss wirklich jeder Sänger einer Band auch Solokünstler sein?
Entschuldigend heißt es dann immer, er wolle sich auch abseits des Bandgefüges künstlerisch verwirklichen, neue musikalische Ziele suchen. Würde Thom Yorke bei Nickelback singen, hätte er wohl eh keine musikalischen Ziele. Er singt aber bei Radiohead – und kaum eine andere Band dürfte ihm auch schon so viel Freiraum lassen für Experimente, für neue Wege.
Yorke reicht das aber offenbar nicht.
Zwei Soloalben hat er schon gemacht, das letzte 2014. Dazu kommt sein Nebenprojekt „Atoms for Peace“, unter anderem mit Radiohead-Produzent Nigel Godrich. Der steht am Freitag beim Auftritt im Berliner Tempodrom mit auf der Bühne.

Ganz weit weg von Radiohead
Und dann ist da noch Tarik Barri. Ein Blick auf dessen Homepage verrät: Er ist „audiovisueller Komponist und Computer-Programmierer“ – kurz: Künstler.
Was er genau macht, erkennt man nicht. Aber es muss etwas mit den Videos, pardon, „Visuals“ zu tun haben, die die gesamte Kulisse bilden – und die auch imposant aussehen.
Vorne auf der Bühne stehen: drei Pulte mit Laptops, Mixern, Soundmodule. Und ein Piano, damit es nicht ganz so nach Kraftwerk aussieht.
Mehr aber nicht.
Und spätestens jetzt wird klar: Thom Yorke solo ist mehr Elektro-Clubabend als Rockkonzert.
Und tatsächlich: ganz weit weg von Radiohead.
Auch bei den späteren Radiohead gab es Drahtig-Funkiges, bei jüngeren Stücken wie „Lotus Flower“. Aber eben nicht nur – irgendwann setzte dann eben auch die erlösende Wucht einer Rock-Band ein. Jetzt ist da keine Band, jetzt gibt es keine Hits.

Bild: Mario Ruiz / EPA

Gesang gerät in den Hintergrund
Jetzt ist da Thom Yorke – und er tanzt. Er singt auch und schluchzt, wenngleich nicht ganz so klagend wie bei Radiohead. Aber er hat auch viel anderes zu tun: vom Mixer zum Piano und wieder zurück, schnell ein bisschen mehr Echo auf die Stimme, dann schon an den Bühnenrand für den nächsten Move. Der Gesang gerät in den Hintergrund.
Der Beat klackert, pluckert, breakt. Ein paar Synthis legen neblige Klangwolken. Die eine oder andere Pianomelodie setzt flirrende Akzente obendrauf. Es ist schön, dass die Musik tatsächlich live erzeugt wird, dass Yorke und Godrich in Echtzeit eingreifen und Tracks kreieren und remixen.
Gutwillige wollen ganz ähnliche Ästhetik schon mal bei Bands wie den Gorillaz gehört haben, Böswillige bei U2, wenn Brian Eno mitmischte.
Mit ist es im ausverkauften Tempodrom ist das egal: Je mehr sich die technoiden Beats vor die Stimme drängen und Melancholie weichen muss, umso größer der Jubel.
Wenn Club – dann richtig! Wer tanzen möchte, kommt auf seine Kosten – mit zunehmender Konzertdauer auch auf den Rängen.
Wer Neues entdecken will, muss allerdings nach spätestens einer Stunde feststellen: Nicht alles, was elegisch, elektronisch oder gar mit „Visuals“ daher kommt, ist heute noch experimentell oder unbedingt spannend.
Wie lautet einer der bekannteren Radiohead-Titel? „No surprises“ – keine Überraschungen, aber ein gutes Konzert.