21.07.2019 – Skunk Anansie in der Columbiahalle

Eine Stimme wie ein Spinnenbiss

Durch zeitlose Songs wie „Weak“ ist die britische Band Skunk Anansie unsterblich geworden. Am Sonntag haben die Musiker um Frontfrau Skin die Columbiahalle zum Zittern gebracht – Tomasz Kurianowicz war bei der musikalischen Achterbahnfahrt dabei.
Skin lässt ihr Publikum ein bisschen warten. Doch dann, als die Frontfrau von Skunk Anansie wie ein Komet auf die Bühne der Columbiahalle blitzt, gibt sie sofort 130 Prozent. Gitarrist Ace startet mit einem ohrenbetäubenden Riff. Mark Richardson haut aufs Schlagzeug, als gäbe er heute sein Abschiedskonzert. Und Cass reiht sich ein, als würde sein Bass den Konzertsaal sprengen wollen – und am besten gleich Kreuzberg mit dazu. Dieser Startschuss ist so intensiv wie kraftvoll: „Because of you, the tears dead in my eyes.“

Skin powert durch
Seit 25 Jahren gibt es die Band Skunk Anansie schon. 2001 löste sie sich auf, um 2009 eine spektakuläre Wiedergeburt zu feiern. Doch jedes Mal, wenn man die Songs hört, glaubt man, zurück in die Neunziger Jahre zu reisen, in die Zeit des Grunge und des harten Rock, der Ausdruck des Protests gegen eine Phase der politischen Orientierungslosigkeit war. Das Publikum scheint sich an diese Jahre gut erinnern zu können: Die Fans sind überwiegend schwarz gekleidet, langhaarig (falls sie noch Haare haben) und mehrheitlich über 40.
Lethargisch geht es trotzdem nicht zu. Skin powert durch, trotz ihrer 52 Jahre, und das Publikum macht mit. Es stampft, klatscht, springt und jubelt. Nicht nur optisch hat sich die Frontfrau kaum verändert, auch stimmlich ist sie der Kraftprotz der Gründungsjahre geblieben. Ihre Bewegungen sind Teil der Show: Sie kommt mit einem schwarzen, sperrig geschnittenen Anzug auf die Bühne, der an ein überdimensioniertes Astronautenkostüm erinnert. Schnell wirft sie den Ballast ab und bewegt den drahtigen, kleinen Körper samt dem rasierten Schädel von einer Ecke in die andere, heizt das Publikum mit Handbewegungen ein, jumpt in die Luft und kickt ihren Frust heraus, als würde der ganze Weltschmerz des Universums auf ihr lasten.

Der Körper als Politikum
Die harten, schmissigen Songs sind so etwas wie eine musikalische Säuberung der Seele. Gegen die Ungerechtigkeit der Welt. Gegen Rassismus. Aber auch ganz trivial: gegen Liebeskummer. Und wenn man sich in die sensiblen Texte einhört, versteht man, wie fortschrittlich diese Band doch eigentlich war. Schon in den Neunziger Jahren, als noch keiner über Geschlechterfragen und Rassismus debattierte. Die schwarze, in London geborene und aus Jamaika abstammende Skin hat ihren Körper zu einem Politikum gemacht. Ihr ganzes Auftreten ist ein gewaltiges Statement: Sie will so sein, wie sie ist. Bisexuell, schwarz, queer, eine Frau, die sich manchmal wie ein Mann fühlt. Mal stark, mal schwach. Und sie schreit es heraus.
Als nächstes kommt ein Hit, der Skunk Anansie berühmt gemacht hat, ohne den die Band heute hier nicht stehen würde: „Why don’t you weep, when I hurt you?“ Selbst wer Skunk Anansie nicht kennt, kennt „Brazen“, ein Stück Musikgeschichte. Sowieso ist dieses Konzert eine Aneinanderreihung von unsterblichen Songs. Die Dramaturgie ist so gut abgestimmt, wie es nur eine Profiband meistern kann. Nach vier harten Nummern geht der Puls etwas herunter. Skins Stimme wirkt jetzt bedächtig, ja geradezu nachdenklich. Wie in dem Song „Cheap Honesty“ von 1999: „But I’m too cool to say, that I want it all my way.“ Gleich danach kommt der zeitlose Song „Weak“ aus dem Jahr 1996. Noch so ein Evergreen: „Weak as I am, no tears for you.“
Zwischendrin spielt die Band immer wieder mal ein neueres Stück. Es fällt auf, dass die Musik mit den Jahren rockiger geworden ist, kompromissloser, noch kraft- und gewaltvoller. Aber das mag auch daran liegen, dass sich politisch nichts verbessert hat..

Nichts Neues, aber es rockt
Aber sie mache sich auch Sorgen. Anscheinend gibt es kein Konzert mehr, ohne die langsam alltäglich werdenden politischen Statements. „Ihr habt doch vom Brexit gehört, oder?“, fragt sie dann plötzlich. „Bald haben wir vielleicht diesen Idioten Boris Johnson als britischen Premierminister. Ich bin Migrantin. Der Faschismus breitet sich aus. Doch wir dürfen nicht vergessen: Zusammen sind wir stärker.“ Musik ist die Antwort, findet Skin, und spielt gleich den nächsten großen Song, der ins Mark trifft. Sie brüllt den Text ins Mikrofon: „Yes, it’s fucking political!“ Das Publikum springt im Gleichtakt mit. Immer schneller. Immer selbstbewusster.

Die Kurve geht nach oben. Skin kennt keine Atempause. Sie dreht weiter auf, stürzt sich in die Menge, sucht den Blickkontakt und ist nicht verlegen darum, immer wieder einen großen Hit aus den Neunziger Jahren zu spielen. Die Zugaben, die gar nicht aufhören wollen, gibt sie am Ende mit Rabenfedern auf den Schultern. Auf ihrem T-Shirt prangt eine Spinne. Als der letzte harte Akkord nach zwei Stunden intensiver Spieldauer wie ein großes Gewittersausen ertönt, weiß man: Skin wird noch lange schreien und stechen.

Foto (1) Monkeepress
Foto (2) Rolling Stones
Foto (3,4) privat